Das Geschenk

„Hey, wie geht’s denn deinem Anwalt?“, fragte Meike am Montag in der Mittagspause ganz unverfroren. „War ja anscheinend doch noch ganz interessant gestern Abend.“

Obwohl sie keinerlei Grund zum Erröten hatte, tat Berta es doch. Keine Ahnung ob das Gespräch interessant gewesen war, dazu war sie schon zu betrunken gewesen, aber das gab sie nicht zu. Sie hatte ziemlich heftig geflirtet, schien ihr, wahrscheinlich hatten sämtliche Kollegen es bemerkt, jedenfalls die, die dem Champagner nicht so zugetan gewesen waren wie sie. Also vielleicht doch nicht sehr viele, bedachte sie dann.

„Ich bin auch bald nach dir gegangen.“, erwiderte Berta so gelassen wie möglich, doch dann brauste sie auf, „Wieso eigentlich mein Anwalt? Und wieso sollte ich wissen, wie es ihm jetzt geht?“

Meike zuckte mit den Schultern. „Hätte ja sein können…“

Ob uns irgendwer zusammen hat gehen sehen, fragte Berta sich. „Er hat mich nach Hause gefahren“, gab sie also vorsichtshalber wahrheitsgetreu zu, „ich hab nicht nein gesagt, hab das Geld fürs Taxi gespart. Danach hab ich ihn nicht mehr gesehen.“ Sie schob sich eine Gabel voll Salat in den Schnabel. „Cooles Auto hat er“, fügte sie kauend hinzu. Was redete sie bloß für einen Mist. Seit wann fand sie Autos cool? „So’n alter, eckiger Straßenkreuzer wie in den Büchern von Djian. Mit schwarzen Ledersitzen.“

„Huuuh, kinky…“, machte Meike ironisch.

Beim Aussteigen hatte er sie gefragt, ob er sie anrufen dürfe, soviel erinnerte Berta sich noch. „Du weißt wo ich arbeite“, hatte sie etwas ausweichend geantwortet, und eventuell hatte sie sich zu ihm hinübergelehnt und ihm zum Abschied einen flüchtigen Kuß auf den Mund gedrückt, aber dessen war sie sich absolut nicht mehr sicher. Oben in ihrer Wohnung konnte sie nicht einschlafen, da sich im Liegen alles unkoordiniert um sie drehte, bis sie sich endlich aufgerafft und ins Klo übergeben hatte, in dem noch die am Abend aus der Dusche gefischten Haare schwammen.

„Ein seltsamer Typ“, erklärte Meike zwischen zwei Bissen, „na ja, Anwalt eben.“

Meikes Freund war Musiker, Rockmusiker, vom non suit type. Berta gab ihr in Gedanken Recht und hörte sich gleichzeitig behaupten, dass er doch sehr nett gewesen sei. Sie fand es schon etwas bedenklich, daß sie allmählich das Alter erreichte, da gut situierte Männer ihr gefallen konnten, Männer mit Armani oder Dries van Noten Anzügen auf den künstlich gebräunten Leibern und teuren Schuhen an den pedikürten Füßen. Noch vor ein paar Jahren wäre ihr so was nie passiert, nie hätte sie einen Mann ohne Zopf oder wenigstens wilde Locken, ohne Schlaghose oder Lederbändchen um Hals oder Handgelenke auch eines noch so kurzen Blickes gewürdigt. Inzwischen konnte sie es sich sogar durchaus vorstellen, mit einem Mann zusammen zu leben, der einmal im Monat zum Friseur ging. Um ehrlich zu sein, gab sie selbst auch seit etwa einem Jahr alle paar Monate ein halbes Vermögen fürs Spitzenschneiden aus, anstatt das wie früher von einer Freundin in der Küche stehend erledigen zu lassen.

Vielleicht lag es auch bloß an der Tatsache, dass sie vor einigen Tagen erst The Secretary gesehen hatte, dass sie plötzlich ein Faible für solche Langweiler entfaltete.

Am nächsten Tag rief er Berta im Büro an. Es war ihr letzter Arbeitstag vor den Betriebsweihnachtsferien. Sie hätte seine Stimme nicht erkannt, wenn er ihr nicht auf die Sprünge geholfen hätte.

„Ich würde dir gern ein Geschenk machen“, sagte er nachdem sie diverse Höflichkeitsfloskeln umständlich umschifft hatten.

Das sanfte Lächeln auf Bertas Gesicht breitete sich zu einem enormen Grinsen aus, während eine plötzliche Eingebung sich langsam in ihren Gedanken festigte. „Ich wüsste da was.“, sagte sie mit ihrer von Alkohol und Zigarettenrauch noch immer rauen Stimme.

„Was immer du willst…“, sagte der Anwalt mit einer Bereitwilligkeit, die Berta äußerst leichtsinnig fand. Er wusste anscheinend noch nicht, zu welchen Wünschen sie imstande war.

Berta holte tief Luft und sagte es ihm gleich direkt am Telefon.

Ralf pfiff anerkennend durch die Zähne. „Ich dachte zwar, dass du es mir bei einer Tasse Kaffee oder einem netten Essen erzählen könntest, aber gut…“

Berta biß sich auf die Unterlippe. „Tut mir leid.“

„Kein Problem.“, beschwichtigte er sie. „Sowas nennt man die Gelegenheit beim Schopfe packen. Gefällt mir. Ich werde drüber nachdenken“, schloß er und bat um ihre e-mail Adresse.

Wenig später fragte er an, wo es denn das Wunderding gäbe. Sie sagte es ihm. Sie fuhr jeden Tag an dem Laden beim Alex vorbei, er lag auf ihrem Weg zur Arbeit. Mindestens einmal im Monat ging sie hinein, um ein Weilchen in dem Stuhl zu sitzen, der ein wahrhafter Traum war. Vielleicht ging sie auch ein bisschen des Verkäufers wegen dorthin. Es war ein schöner dunkler Lockenkopf, der sich bereitwillig von ihr anstrahlen ließ. Inzwischen hatte er ihr schon über hundert Euro vom Preis erlassen, aber mehr als diese zehn Prozent könne er ihr nicht gewähren, bedauerte er. Hm, vielleicht wenn Berta ihn verführte? Sie hatte ihm spaßeshalber schon offeriert, mit ihrem Laptop zum Arbeiten in den Laden zu kommen, bis sie sich den Stuhl leisten konnte, das hatte er lachend gutgeheißen, aber getan hatte sie es natürlich nicht. So unverfroren war sie nun auch wieder nicht.

Nach einer Stunde schrieb der Anwalt zurück. Er gratulierte Berta zu ihrem guten Geschmack und fragte ob er sie vom Büro abholen dürfe. Das konnte sie ihm wohl kaum abschlagen. Noch vor der verabredeten Zeit ging sie auf die Straße, um ihn abzufangen und zu vermeiden, dass man sie im Büro zusammen sah. Draußen wirbelten ein paar Schneeflocken durch die vorweihnachtliche Dunkelheit. Berta trat bald von einem Bein auf das andere, denn die Luftfeuchtigkeit drang ihr sofort ins Mark.

Ralf kam pünktlich mit seinem olivgrünen Road Movie Wagen vorgefahren und öffnete ihr von innen die Beifahrertür. Berta vermochte ihr euphorisches Strahlen nicht zu unterdrücken. Was für ein Glück, endlich diesen ersehnten Stuhl zu besitzen. Ihre Artikel würden fortan ganz von selbst ihrem Geiste, ihren Fingern entspringen, wenn sie in so einem Stuhl sitzen könnte. Doch sobald sie mit dem beinahe unbekannten Mann allein war, wurde sie plötzlich sehr wortkarg und blickte starr geradeaus auf die Straße als müsse sie sich auf den Verkehr konzentrieren und nicht er. Was war nur in sie gefahren, einen derart dreisten Wunsch an einen wildfremden Typen zu richten? Sie wusste nichts über ihn außer seinen Vornamen und seinen Beruf, und dass er offensichtlich nicht ganz arm war. Worüber hatte sie mit ihm auf der Party nur die ganze Zeit geredet? Wahrscheinlich hatte sie ihn die ganze Zeit über zugetextet und ihn kaum zu Wort kommen lassen. Na ja, immerhin hatte sie ihn beim Einsteigen erkannt, das war schon mal einiges wert, denn zwischendurch hatten sie Zweifel an ihrer Erinnerung befallen. Er trug einen dunklen Anzug und ein weißes, am Kragen offen stehendes Hemd. Er war gut rasiert und trug einen unspektakulären Kurzhaarschnitt. Berta schätzte ihn auf Mitte dreißig, vielleicht ein paar Jahre älter als sie selbst. Er wirkte schlank, aber vielleicht versteckte er auch einen kleinen Bauch unter seinen gut geschneiderten Klamotten, das konnte man nicht auf den ersten Blick erkennen. Berta hätte sich den Gentleman gern mal näher betrachtet, allein sie traute sich nicht, ihm in dieser gefährlichen Intimität rundweg ins Gesicht zu blicken.

„Wo fahren wir hin?“, wollte Berta von ihm wissen.

„Zu mir.“, erwiderte der Anwalt ganz selbstverständlich.

Berta sah ihn mit erstauntem, ja beinahe entsetztem Ausdruck an. Ihr war auf einmal unglaublich heiß, aber das konnte auch an dem beheizten Sitz liegen.

Ralf deutete mit dem Daumen nach hinten. „Den Stuhl hab ich schon im Kofferraum.“

Da lachte sie ihn unverblümt an. Er wohnte ganz in der Nähe in einem liebevoll restaurierten Altbau. Auf der breiten Treppe lag ein dicker roter Teppich, und die dunkelgrün gestrichenen Wohnungstüren waren im Jugendstil verziert und sicher drei Meter hoch. Ralf trug den noch eingewickelten Stuhl in die oberste Etage und schloß seine Wohnung auf. Drinnen war alles makellos weiß gestrichen, das Parkett war blank gebohnert. Hier hatte mit Sicherheit noch nie ein Dreirad seine Kratzer auf dem Boden hinterlassen oder hatte eine kleine verschmierte Kinderhand einen Lichtschalter berührt. Die Wohnung wirkte wie ein luxuriös möbliertes Apartment, das gerade nicht vermiet war. Eine Wohnung wie aus einer Meister Proper Werbung. Größer als die, die Bertas Eltern früher mit drei kleinen Kindern gehabt hatte. Der Typ hatte wahrlich zu viel Geld. Wozu brauchte der für sich allein so eine Bude? Wahrscheinlich verbrachte er sowieso seine meiste Zeit im Büro, und den Rest im Fitness- oder im Sonnenstudio. Berta gratulierte sich dazu, ihm Gelegenheit gegeben zu haben, sein Geld einmal für einen guten Zweck ausgegeben zu haben. Der Anwalt stellte den Stuhl in die Mitte des riesigen Wohnzimmers und packte ihn aus.

„So, wollen das Ding doch erstmal ausprobieren“, sagte er bestimmt.

Sie jauchzte wie ein Kind beim Anblick des eleganten italienischen Designs. Nie wieder Ikea, schwor sie sich. Der Stuhl war mit graumeliertem weichem Stoff bezogen, sein glänzend verchromter Fuß war räderlos, das hatte sie so gewollt, das war stabiler und Bertas Zimmer war ohnehin nicht so groß als dass sie darin würde herumfahren können. Bestimmt würde sie nie mehr zu Bett gehen wollen wenn der Stuhl erstmal in ihrer Wohnung stünde. Ralf ließ sich genüsslich hinein sinken, während Berta vor Ungeduld bald verging. Sie wollte endlich auch einmal darin sitzen.

„Ein herrliches Gefühl, in der Tat.“, gab er zu. Dann schmunzelte er. „Ich glaube, ich werde ihn behalten…“

Berta machte große Augen, doch im gleichen Moment begriff sie, dass er flunkerte.

„…es sei denn…“

„Ja?“

„…du wärst bereit dich nackt hineinzusetzen.“

„Jetzt?“

Er nickte nachdrücklich.

„Hier?“

Erneutes Nicken.

„Vor deinen Augen?“

Ralf schlug ein Bein über das andere. „Ich würde wohl kaum freiwillig hinausgehen wenn du es tätest.“

Berta schluckte. „Wie lange?“

„Bis ich genug habe.“

Berta verschränkte empört ihre Arme vor der Brust und tappte unabläßig mit dem Fuß auf das Parkett. Tja, was hatte sie denn eigentlich erwartet.

„In Unterwäsche.“, feilschte sie nach kurzem Nachdenken. Zum Glück trug sie an diesem Tag, im Gegensatz zu den meisten Tagen, an denen sie darauf verzichtete, ihre schmale Büste in einen BH zu zwängen, ein komplettes Set Unterwäsche, ein ganz niedliches von La Perla, das sie sich neulich als eigenes Vorweihnachtsgeschenk geleistet hatte. Der Anwalt dachte eine Weile nach, oder vielleicht kostete er nur ein wenig die Situation aus, ihre bezaubernde Empörtheit und seine temporäre Macht über sie. Schließlich erhob er sich und bot ihr mit einer einladenden Geste Platz auf dem heiß begehrten Stuhl an. Berta schritt darauf zu und wandte sich dann zu ihm um.

„Geh wenigstens raus während ich mich ausziehe.“, gebot sie ihm, und er verschwand.

„Ich geb dir fünf Minuten.“, rief er aus dem Flur.

Shit, worauf laß ich mich da bloß ein. Ich sollte die Beine in die Hand nehmen und verschwinden. Scheiß auf den blöden Stuhl. Aber als sie sich resigniert hineinfallen ließ, umfing der Stuhl sie mit seiner wohligen Wärme und mochte sie das Gefühl gar nicht mehr missen. Oh, endlich Abschied von ihrem alten Holzschemel nehmen, auf dem ihr der Hintern immer wehtat, egal wie viele Kissen sie unterlegte. Und der Rücken. Sie kam in das Alter in dem man auf so was achten musste. Ehe sie es sich versah, steckte Ralf seinen Kopf prüfend zur Tür hinein.

„Kann ich vorher wenigstens noch mal aufs Klo?“ verlangte Berta griesgrämig.

„Hey, guck nicht so dramatisch. Du musst es nicht tun, wenn du nicht willst. Ehrlich, ich behalt den Stuhl sehr gerne. Ich finde ihn ganz fabelhaft. Wir können auch einfach nur Teetrinken, und nachher fahr ich dich nach Hause als wäre nichts geschehen… Ohne den Stuhl.“

Berta fletschte die Zähne als sie an ihm vorbei ins Bad schritt. Sie hatte auch ihren Stolz. Kurz darauf, nachdem sie kaum ein paar Tropfen in das makellos geputzte Porzellan abgedrückt hatte, wobei sie den Drang zu pissen hinterher immer noch verspürte, kehrte sie fest entschlossen zurück, die Sache jetzt durchzuziehen, lächerlich oder nicht, und schickte ihren Erpresser vehement in den Flur zurück. Dann zog sie sich aus. Sie schmiß ihre Klamotten wütend auf den Boden und setzte sich dann nur in Höschen und BH auf den Stuhl. Im Versuch sich zu entspannen, lehnte sie sich wohlig seufzend zurück, legte die Arme locker auf die flauschigen Lehnen und wiegte leicht hin und her. Eigentlich war es eher ein Sessel denn ein Stuhl, dachte Berta, der weiche Stoff war angenehm gegen ihre nackte Haut. Sie nahm sich vor, beim Schreiben des Öfteren mal nackt darauf zu sitzen, das wäre eine ganz ungekannte Erfahrung, vielleicht gäbe es ihren Texten eine extra Portion Pfiff. Berta rutschte etwas tiefer in die Sitzschale hinein und ließ ihre Arme hinter der Rückenlehne hinunterbaumeln. Sie bekam langsam kalte Füße auf dem blanken Boden.

„Komm schon endlich.“, beschwor sie den Anwalt leise murmelnd. „Ich krieg kalte Füße.“

Berta schämte sich ihres Körpers nicht, im Gegenteil, denn sonst hätte sie sich wohl kaum auf den albernen Deal eingelassen, doch zog sie es vor, der Tür den Rücken zu kehren und Ralf nicht gleich Aug in Auge begegnen zu müssen wenn er hereinkam. Sie legte nicht viel Wert drauf, seinen Gesichtsausdruck zu sehen wenn er sie tatsächlich halbnackt wieder fand. Oh Gott, was wenn er selbst nackt hereinkam, mir bedrohlich aufgerichtetem Schwanz? Worauf hatte sie sich hier bloß eingelassen!

Zu ihrer eigenen Beruhigung und Ablenkung betrachtete sie nun das bizarre streifige Bild, dass den Raum völlig beherrschte, und das sie im Sommer im MOMA gesehen zu haben glaubte. Es schien eine Reproduktion in Originalgröße zu sein. Eben wollte Berta ihre Knie an den Körper heranziehen und ihre Beine mit den Armen wärmend umfassen, als sie hinter ihrem Rücken ihre Hände gefangen fühlte. Sie erstarrte fassungslos.

„Was tust du?“, stammelte sie.

Blöde Frage. Jemand band ihr die Handgelenke mit einem weichen Tuch zusammen, daran gab es keinen Zweifel. „Keine Angst, ich tu dir nichts.“, hauchte Ralf ihr ins Ohr.

Das fühlt sich aber ganz anders an, dachte Berta. Sie war nicht der Typ, der in hysterisches Kreischen verfiel, sondern eher in eine Art lähmenden Schockzustand, in Trance wenn man so will. Das half bei Schlangen, Elefanten und anderen wilden Tieren. Sie wagte es gerade, ihren Kopf nach ihrem Widersacher umzuwenden als auch ihr Blick verdüstert wurde. Ein dunkles Tuch legte sich ihr eng über die Augen und um den Hinterkopf. Berta begann leicht zu zittern.

„Schsch“, machte der Anwalt und strich ihr mit dem Handrücken sanft über den Hals. „Ich tu dir nichts was dir missfallen könnte.“, wiederholte er leise.

Dann entfernte er sich ein paar Schritte. Sie hörte seine Absätze auf dem Parkett klacken und dann verstummen. Berta blieb wie angewurzelt sitzen, obwohl sie sich trotz ihrer gebundenen Hände sicher einfach aus dem Stuhl hätte erheben können. Sie zitterte so sehr dass ihre Beine sie sicher nicht getragen hätten. Ihre Füße glichen inzwischen Eisklumpen, so dass sie sie nervös aneinander zu reiben begann. Sie hätte jedoch nicht sagen können, ob sie vor Kälte zitterte, vor Angst oder vor Anspannung. Berta versuchte logisch zu denken. Er war Anwalt, ein vernünftiger und gebildeter Mensch, sicher würde er ihr nichts antun, was er später zu bereuen hätte. Sie könnte ihn jederzeit anklagen, sobald sei hier raus sein würde. Es sei denn sie käme niemals wieder hier raus, ging ihr durch den Kopf. Unsinn, sah er vielleicht wie ein Vergewaltiger oder gar Mörder aus? Andererseits wusste niemand wo sie war, niemand hatte sie zu ihm ins Auto steigen und hier wieder aussteigen sehen. Berta verspürte wieder den unbändigen Drang zum Wasserlassen, obwohl ihre Blase absolut leer war. In ihrem Magen bildete sich ein zäher Klumpen. Selbst wenn er nicht lügt, woher will er so genau wissen, was mir gefällt und was nicht.

Sie wusste nicht, wie lange sie bereits dort saß, wahrscheinlich nicht mehr als ein paar Sekunden, doch die Stille, die Ungewissheit begann Berta ernstlich Angst einzujagen. Wenn er doch etwas sagen, etwas tun würde. Alles wäre erträgliches als dieses blinde Warten, sagte sie sich.

„Ich habe kalte Füße“, hub sie unsicher an, nur um etwas zu sagen.

„Oh, das tut mir leid.“, erwiderte er in seinem besten Konversationston. Er holte eine Decke, legte sie vor den Stuhl und kniete sich selbst darauf. Dann hob er ihren linken Fuß in seinen warmen Schoß, und unter ihrer nackten Fußsohle spürte sie durch den weichen Stoff seiner Hose deutlich seine Erektion. Den anderen Fuß ergriff er und führte ihn an den Mund. Jesus Christ, flehte sie lautlos, wenn das man gut geht. Er hauchte das eisige Fleisch mit seinem heißen Atem an, drückte seine Lippen auf die frierende Haut, schob schließlich seine gierige Zunge zwischen ihre kalten Zehen und umspielte sie genüßlich. Berta entfuhr ein winziges, kaum hörbares Ächzen. Dann widmete er sich ihrem zweiten Fuß. Mit der Zeit wanderte sein Mund langsam, doch scheinbar unaufhaltsam an ihren Beinen empor. Die Zunge umkreiste erst Knöchel, dann Knie und pirschte sich auf ihren Oberschenkeln an Bertas Mitte heran. Ralf schob behutsam ihre Knie auseinander, und Berta rutschte unauffällig ein winziges Stückchen tiefer in ihrem Sitz. Sie war mittlerweile dankbar ob ihrer Blindheit, die sie zwang nichts von alldem zu sehen und über die Stricke, die sie zwangen, sich widerstandslos der Berührung hinzugeben. Sie hätte sich maßlos geschämt, etwas derartiges von einem Fremden freiwillig über sich ergehen zu lassen, doch nun, da ihr nichts anderes übrig blieb als still und willenlos dazusitzen, vermochte sie die Verführung ohne Erröten zu genießen. Immerhin traf sie keine Schuld. Hatte sie denn eine Wahl?

Ralfs Hände griffen wollüstig nach dem Fleisch der Innenseiten ihrer Schenkel, dann schoben ein paar freche Finger unversehens ihren Slip zur Seite. Berta hielt den Atem an und spannte sämtliche Muskeln ihres Körpers aufs Äußerste. Als sein Mund sich endlich auf ihr zuckendes Geschlecht senkte, entfuhr ihr die Luft mit einem spitzen Schrei aus der Lunge und löste ihre Starre.

Bevor Berta noch recht wieder zu sich gekommen war, spürte sie schon wie ihre Fesseln gelockert und abgestreift wurden. Was denn, jetzt schon? Ralfs Absätze verließen den Raum. Dabei hatte es doch gerade erst angefangen Spaß zu machen. Berta hob mühsam ihre kribbelnden Arme nach vorn, rollte die steifen Schultern und bewegte die Finger, die ihr einzuschlafen begannen. Dann streifte sie das Tuch von ihren Augen und richtete sich auf dem Stuhl auf, von dem ihr Hintern fast hinuntergerutscht war. Es gelang ihr kaum, ihre Beine zu schließen und aufzustehen, so dick geschwollen war sie. Von Ralf keine Spur, und über Bertas Gesicht huschte ein süffisantes Lächeln. Wahrscheinlich hatte er im Bad dringend was zu erledigen. In der Tat kam er erst wieder zurück als Berta ihre vielen Wintersachen vom Boden aufgelesen und wieder angezogen hatte. Er betrat schüchtern und gesenkten Blickes das Zimmer und suchte nach den passenden Worten. Anscheinend passierte ihm so was nicht allzu oft.

Berta kam ihm zu Hilfe. „Ich muß jetzt los, ich habe heute Abend noch zu tun. Du weißt ja, Weihnachten steht vor der Tür.“

Er nickte. „Ich fahr dich nach Hause.“

„Ich hab mein Rad noch in der Firma stehen, das muß ich über die Feiertage mitnehmen.“

„Und…?“ Er blickte ein wenig verwirrt auf den leeren Stuhl, Anlaß und Ort ihrer sündigen Begegnung.

Berta unternahm keine große Anstrengung, ihr hemmungsloses Grinsen zu unterdrücken. „Ich finde er steht hier ganz gut. Ich würde morgen gern noch mal kommen, wenn es dir nichts ausmacht…“

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