Selbstliebe

Schon als Dreijährige trug ich sehr gern kurze Kleidchen und darunter pastellfarbene Nylonhöschen mit Reihen weißer Rüschen am Hintern, so ähnlich wie sie heute von Burlesquekünstlerinnen getragen werden. Ich fand das todschick. Und es war wichtig, dass die Rüschen unter dem Kleidchen hervorguckten, daran kann ich mich noch genau erinnern. Mein Faible für exquisite Unterwäsche zog sich auch durch meine spätere Kindheit, lange bevor es etwas mit Sex zu tun bekam. Wehe wenn die Garnitur nicht einheitlich war! Wenn das Unterhemd nicht zum Schlüpfer passte, machte ich morgens ein Heidentheater.

Ich muss 12 oder 13 gewesen sein, als ich die alten Nylonstrümpfe meiner Mutter in die Hände bekam und sofort von ihnen begeistert war. Was willst du denn mit den ollen Dingern?, schüttelte sie den Kopf. Tatsächlich hatte ich keine Strumpfhalter für „die ollen Dinger“, denn die alten fleischfarbenen Miedergürtel meiner Mutter waren mir zu groß und sowieso zu monströs. Als ein paar Jahre später die Mauer fiel, fuhr ich am nächsten Tag nach Berlin und gab mein Begrüßungsgeld für Strapse im KaDeWe aus. Meine Mutter saß in ihrem Sessel am Fenster und lachte herzlich, als ich ihr stolz meine Einkäufe vorführte.

Ich fühlte mich wahnsinnig sexy darin, eine richtige Femme Fatale. Mein damaliger Freund konnte damit gar nicht so richtig was anfangen. In späteren Jahren meinte ich, mir die teure Wäsche für die sexuellen Begegnungen mit Männern zuzulegen. Die meisten Männer fanden das auch sehr heiß, viele hatten noch nie vorher eine echte Frau in Strapsen gesehen, ihr Staunen und ihre Bewunderung machten mir großen Spaß, aber die Männer hätten auch ohne Dessous ihr Vergnügen mit mir gehabt. (Manche Männer standen auch explizit gar nicht auf Wäsche, was mich zunächst verwunderte, aber solange Nacktheit das Problem löste, war ich zufrieden.)

Zwei Erkenntnisse kamen mir im Laufe der Zeit. Erstens wurde mir bewusst, dass ich die schicke Wäsche mehr für mich als für irgendeinen Mann kaufte. Ich selbst genoss diese Inszenierung nämlich am meisten. Zu wissen, dass ich unter meiner sichtbaren Kleidung umwerfend aufreizende Wäsche trage, beschert mir mit verlässlicher Sicherheit ein erregendes Grundkribbeln. Und die besondere Vorfreude auf das Ausziehen gehört ganz mir, denn mein Gegenüber weiß noch gar nicht was ihn erwartet.

Und zweitens dachte ich lange, Dessous würden ihre Wirkung mit der Zeit abnutzen und es müssten immer neue sein, damit es überraschend bleibe. Doch dabei hatte ich nicht mit der Vergänglichkeit männlicher Erinnerung gerechnet. Ich habe eine Menge schöner Wäsche, aber auch meine Auswahl ist endlich, und so wiederholen sich meine Outfits hin und wieder. Ein paar Monate Tragepause reichen, um meinen Mann ausrufen zu lassen: Oh, du hast neue Wäsche!

Er kann meine Dessous durchaus goutieren, aber seinetwegen könnte ich auch die ganze Zeit nackt sein. Ihn macht vor allem an, dass ich mir gefalle. Und mich macht an, dass ihn das anmacht. Und ihn wiederum macht an … na ja, jedenfalls haben wir beide was davon.

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